Thomas Demmelhuber im Europäischen Parlament: Autokratien und Wahlen

Eingang Parlament, Altieri Spinelli
Bild: Guillaume Périgois

Erlanger Experte im Menschenrechtsausschuss des Europäischen Parlaments

Im Sommer 2022 beschloss der Unterausschuss für Menschenrechte (DROI) des Europäischen Parlaments, eine Empfehlung an den Rat, die Kommission und den HRVP (Josep Borrell) auszuarbeiten, um effektiver auf undemokratische Wahlen in Autokratien zu reagieren. Zur Unterstützung des Berichterstatters (MEP Nacho Sánchez Amor) lud der Unterausschuss für Menschenrechte Prof. Dr. Thomas Demmelhuber und Prof. Dr. Richard Youngs (University of Warwick) zu einer Expertenanhörung nach Brüssel (25. Januar 2023) ein.

Demmelhuber hob zu Beginn seines Vortrags den globalen Trend der Autokratisierung hervor: 70 % der Weltbevölkerung leben aktuell unter autokratischer Herrschaft und die liberale internationale Ordnung, die auf Multilateralismus, regelbasierter Zusammenarbeit und friedlicher Konfliktlösung aufbaut, ist Stressfaktoren ausgesetzt. Neue autokratische Protagonisten (z.B. China) versuchen, das Arrangement der liberalen Ordnung zu beeinflussen und eigene autokratische Governance-Modelle als überlegen darzustellen.

Expertenanhörung im Unterausschuss für Menschenrechte Prof. Dr. Thomas Demmelhuber
Bild: Thomas Demmelhuber

Demmelhuber identifizierte vier innenpolitische Funktionen von Wahlen in Autokratien, die dem Zweck der Herrschaftssicherung dienen. Wahlen ermöglichen bspw. begrenzte Räume der politischen Auseinandersetzung und schaffen Voraussetzungen für kontrollierten Pluralismus. Sie dienen sodann auch der Einbindung von Oppositionsparteien, erlauben den Aufbau klientelistischer Netzwerke und stellen ein Barometer der Unterstützung des Regimes dar.

Mit Blick auf die internationale Dimension betonte Demmelhuber die wachsende Bedeutung einer „Mock-Compliance-Strategie“, die er als den neuen autokratischen „Goldstandard“ von Wahlprozessen in autoritären Kontexten bezeichnete. Andere autoritäre Akteure bestätigen, dass die Wahlen in einem freien und fairen Umfeld stattgefunden haben, was zu einer Verwässerung der internationalen Standards der Wahlbeobachtung führt. Autokratien laden zunehmend sogenannte „fake“ Wahlbeobachtungsmissionen ein (meist zusätzlich neben internationalen unabhängigen Beobachtungsmissionen), um sich einen demokratischen Stempel geben zu lassen und damit kritische Botschaften (z.B. von OSZE- oder EU-Missionen) zu verdrängen.

Die der Anhörung zugrundeliegenden Briefing Papers werden demnächst vom EU Parlament veröffentlicht. Die Aufzeichnung der Sitzung finden Sie hier.