Erlanger Klimapolitik auf dem Prüfstand – Diskussion zum Film „Zusammen“
Wie steht es um die Erlanger Klimapolitik, sechs Jahre nachdem der Stadtrat den Klimanotstand beschlossen hat? Diese Frage stand am 1. Juli im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde zum Film „Zusammen“, der den Erlanger Beteiligungsprozess dokumentiert. Die Veranstaltung wurde am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft des Instituts für Politikwissenschaft in Zusammenarbeit mit dem Green Office der FAU Erlangen-Nürnberg sowie den Vereinen Forum1.5 Mittelfranken und Energiewende ER(H)langen organisiert.
Zunächst wurde der Dokumentarfilm Zusammen – Ist DAS der Weg aus der Klimakrise? der Regisseure Ronja und Niklas von Wurmb-Seibel vorgeführt. Der Film beleuchtet den umfassenden Beteiligungsprozess, der auf den Erlanger Klimanotstandsbeschluss vom März 2019 folgte. Im November 2020 startete der sogenannte „Klima-Aufbruch“ in Erlangen, in dessen Rahmen ein Bürger*innenrat und eine Stakeholdergruppe insgesamt 41 Maßnahmen zur Erzielung der Klimaneutralität in Erlangen entwickelt haben. Den Rahmen für diese Arbeit bildete ein Beschluss des Stadtrates, bis 2030 klimaneutral zu werden und ein CO2-Restbudget zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels auf lokaler Ebene einzuhalten. Der Film „Zusammen“ lässt die Beteiligten im Bürger*innenrat und in der Stakeholdergruppe zu Wort kommen und vermittelt dadurch einen Eindruck von der Vielfalt der persönlichen Erfahrungen, die in den Beteiligungsprozess eingebracht wurden.
In der anschließenden Diskussionsrunde, die von Prof. Sandra Eckert (Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft) moderiert wurde, reflektierten Initiatoren (Sabine Bock, Erlanger Stadtverwaltung), Beteiligte (Christian Lange, ehemals Fridays for Future) und wissenschaftliche Beobachter (PD Dr. Klaus Geiselhart, Selim Küçükkaya, beide FAU) den Prozess und seine Ergebnisse. Klaus Geiselhart hatte den Erlanger Beteiligungsprozess wissenschaftlich evaluiert und ordnete den Grad der Politisierung, der durch seinen deliberativen Charakter erzielt wurde, positiv ein. Sabine Bock argumentierte, dass Bürger*innenrat und Stakeholdergruppe nicht nur die Akzeptanz der Klimaziele erhöht, sondern auch deren Ambitioniertheit positiv beeinflusst hätten. Bock gab einen aktuellen Überblick zur Umsetzung des Maßnahmenplans und erklärte, warum das 2020 beschlossene 1,5-Grad-Ziel bereits überschritten wurde. Vor diesem Hintergrund erfolgte kürzlich eine Anpassung des städtischen Ziels auf 1,75 Grad.
Selim Küçükkaya betrachtet Erlangen im Vergleich der 2.300 Beschlüsse weltweit trotz dieser Zielüberschreitung als Vorreiterkommune. Erlangen habe sich nicht nur ein vergleichsweise ambitioniertes Ziel gesetzt, sondern mit dem Beteiligungsverfahren und neuen Stellen wichtige Umsetzungskapazitäten geschaffen. Auch Christian Lange blickt verhalten optimistisch auf die vergangenen Jahre zurück. Nachdem seine Bewegung seinerzeit vor allem die Priorisierung von nur 14 Maßnahmen kritisiert hatte, zeige der aktuelle Stand, dass die Zielerreichung mit mittlerweile 28 Maßnahmen in Planung oder Umsetzung auf einem guten Weg sei. Sorge bereite ihm, so Lange, jedoch die aktuelle geopolitische Lage sowie die geringe Priorisierung klimapolitischer Ziele – insofern müsse der gesellschaftliche Druck aufrecht erhalten bleiben.